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Berliner Zeitung
B.Z.
Presseberichte Müll& THE GANG 2017
TrenntMagazin 2018 siehe Seite 63
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Berliner Woche, Performance gegen Müll: Besonderes Straßentheater
Berlin: Oranienstraße/Heinrichplatz |Kreuzberg. Die Truppe ist mit Besen ausgestattet. Sie fegt mehr oder weniger akkurat über die Gehwege. Allerdings ist sie nicht im typischen Orange der BSR bekleidet.
Denn die sechs Personen sind keine professionellen Straßenkehrer, sondern Schauspieler. Sie nennen sich „Müll & the Gang“ und wollen mit ihrer Vorstellung auf die Hinterlassenschaften im öffentlichen Raum aufmerksam machen.
Das passiert nicht nur durch eigene Reinigungsbemühungen, sondern auch in Form von Sprech- und Tanzeinlagen sowie Ansprache von Passanten. Die werden zum Beispiel zum Aufheben von Unrat aufgefordert oder sollen Fragen zum eigenen Sauberkeitsverhalten beantworten. Je nach Ergebnis erhalten sie den Titel Schmuddeltyp, Öko oder Superkorrekt.
Die Premiere dieser besonderen Performance gab es am 16. September auf der Oranienstraße, einem der Müll-Hotspots im Bezirk. Dort sowie auf der Weserstraße in Neukölln finden an den kommenden Wochenenden weitere Einsätze statt.
Das Anliegen ist natürlich, auf die Müllproblematik hinzuweisen. Aber eben nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern spielerisch und mit Witz. Auf diese Weise, so die Hoffnung, lassen sich die Menschen vielleicht besser dafür sensibilisieren.
Auf jeden Fall sorgte die Aktion bereits beim Start für Aufmerksamkeit. Viele Fußgänger blieben stehen, und einige hatten auch nichts dagegen, dabei eine Rolle zu spielen.
Das Straßentheater entstand unter der Regie von Andrea Bittermann, die bereits in den vergangenen Jahren ähnliche Auftritte im Berliner Stadtraum inszeniert hat. Das Ensemble besteht aus Deutsch, Englisch und Spanisch sprechenden Darstellern, auch Touristen bekommen deshalb nicht nur visuell mit, worum es geht. Das Projekt wurde aus Mitteln der Initiative „Trenntstadt Berlin“ von der Stiftung Naturschutz gefördert.
Am 22., 23. und 24. September gastiert das Putzensemble auf der Weserstraße. Start ist jeweils um 16 und 17 Uhr an der Reuterstraße. Weitere Reinigungstermine in der Oranienstraße sind am 29. und 30. September sowie am 1. Oktober, ebenfalls immer um 16 und 17 Uhr. Beginn ist am Heinrichplatz. Zusätzliche Hinweise unter www.berlin-die-ratten-kommen.de. tf
Die Schauspieltruppe „Müll & The Gang“ um die Regisseurin Andrea Bittermann will mit einer wilden Performance den Dreck bekämpfen.
Tagesspiegel 30.09.17, Markus Hüttmann
Was zunächst aussieht wie die verunglückte Invasion einer fremden Macht, ist schnell entlarvt als Theaterperformance der besonderen Art. „Müll & The Gang“ nennt sich diese schauspielerische Kunstperformance der Müll-Street-Boys. Die internationale Gruppe um Regisseurin Andrea Bittermann und Dramaturgin Gundula Weimann möchte so den Blick der Öffentlichkeit auf das Müllproblem in Berlins Straßen lenken. Für die Berliner Regisseurin begann alles vor ein paar Jahren in Kreuzberg: Deprimiert saß sie vor den Bergen aus Grill- und Plastikmüll, obwohl sie doch einfach nur gemütlich den Sommer genießen wollte. „Ich dachte: Wie kann ich dieses Thema jenseits von Flyern und Plakaten in theatralischer Form in die Öffentlichkeit bringen – mit Humor und ohne erhobenen Zeigefinger?“ So kam ihr die Idee mit den Performances im öffentlichen Raum.
Die Ratten vom Tempelhofer Feld
2012 veranstaltete die Gruppe unter ihrer Leitung unter dem Titel „Die Ratten“ ähnliche Aktionen rund um die Grillplätze auf dem Tempelhofer Feld. Damals zeigten sie als Ratten verkleidet, was passiert, wenn Essensreste liegen blieben. Es folgten Einladungen zu Kongressen und 2015 sogar zum Theaterfestival nach Havanna. Ihre aktuelle Performance wird im Rahmen des Projekts „Trenntstadt Berlin“ von der BSR und der Stiftung Naturschutz gefördert. Abwechselnd spielt die Truppe in der Neuköllner Weserstraße und der Kreuzberger Oranienstraße – also viel frequentierte Straßen, in denen es das Partyvolk und auch Anwohner nicht immer so genau nehmen mit der Abfallentsorgung.Ob Zigarettenkippen, Coffee-to-go-Becher, Röhrenfernseher, Klamotten oder Matratzen – in den Straßen der Stadt findet man alles, nicht selten ist der Müll mit handgeschriebenen Zetteln versehen, auf denen „zu verschenken“ steht.
Also auf sie mit Gebrüll! Mit bewusst übersteigerter Theatralik wirbelt die Gang durch die Weserstraße und stürzt sich auf herumliegenden Abfall. Auf wildes Besenschwingen in alle Richtungen folgt das Anfunken einer imaginären Zentrale, um Verstärkung für den Kampf gegen die Müllmassen anzufordern. Passanten werden zur Rede gestellt und zu ihrer persönlichen Verantwortung für das verdreckte Straßenbild befragt – mit bescheidenem Erfolg. Vor allem die anwesenden Anwohner im vorpubertären Alter streiten wenig überraschend alles ab – sobald sie sich aus der kurzen Schockstarre lösen, die die direkte Ansprache durch die Müll-Gang bei den meisten Passanten auslöst.
„Ich oder der Wildlachs“
Ist kein Fußgänger in Reichweite, vernehmen die Künstler sich einfach gegenseitig: „Ich oder der Wildlachs, entscheide dich“, schreit eine der Darstellerinnen einen Kollegen an und zeigt dabei energisch gestikulierend auf eine leere Wildlachsverpackung auf dem Bürgersteig. Dabei ist doch klar, wer eigentlich schuld ist an der Müllmisere auf den Partymeilen: na klar, die „Partyhipsterdrogenzombies“ im Kiez, aber auch die Politik: „Weniger Lohn und mehr Arbeit, die spinnen doch! Ist doch klar, dass das System so endet.“
Die Reaktionen der Flaneure in der Weserstraße schwanken zwischen Stirnrunzeln, Belustigung und Sympathie – und manchmal auch offener Ablehnung. „Find ich gut, weiter so“, sagt ein Mann im Vorbeigehen. Manche zücken ihre Smartphones. Ein Junge ist weniger begeistert: „Wie viel muss ich bezahlen, damit ihr aufhört?“, fragt er mit gequältem Blick. Und auch in den Restaurants fühlen sich einige gestört, ein Gast empfiehlt der Gruppe in nicht druckreifer Sprache, sich doch möglichst schnell vom Acker zu machen. Die Künstler grinsen nur, sie sind es nicht anders gewohnt. Mit genervten Beistehenden müsse man eben möglichst spontan und schlagfertig umgehen, sagt einer der Künstler. Manchmal sogar mit der Polizei.
Fünf Kilo Trauben aus Dankbarkeit
Meist läuft aber alles glatt. Die Aufführung ist eine Mischung aus geplanten Szenen und Improvisation. Abgesprochene Trillerpfeifenkommandos helfen dabei, im Geschehen eine Struktur zu bewahren. Vor allem müssen die Darsteller aber auf die Passanten reagieren. Da schenkt ihnen ein Sozialarbeiter schon mal fünf Kilo Trauben – als Dank für ihren Einsatz.
Am 30. September und am 1. Oktober spielen „Müll & The Gang“ in der Oranienstraße in Kreuzberg. Die Performance beginnt jeweils um 16 und 17 Uhr am Heinrichplatz.
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Interview mit Andrea Bittermann, Berliner Zeitung 09.08.2013
Live Interview auf radioeins, 23.08.2013
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